Dienstag, 29. Juli 2014

Meine schwerste Entscheidung

Atlantic City (1.537mi) - irgendwo in Wyoming (1.562mi/2.499km)

Kommen wir gleich zum Punkt... meine schwerste Entscheidung ist auch zugleich mein Letzte!
Ich bin hiermit offiziell nicht mehr am Trail.
Ich sitz jetzt seit Stunden vorm Computer und hab eigentlich keine Ahnung was ich schreiben soll...

Vor dem Beginn am CDT hab ich einen Blog über das Weiterwandern geschrieben. Ich habe versucht Weiterwandern zu erklären, was nicht wirklich möglich ist, solange man es nicht selbst einmal erlebt hat. Jetzt versuch e ich zu beschreiben, warum ich abgebrochen habe - ebenso kaum in Worte zu fassen...
Warum? Weshalb? Wieso?...

Ich habe Atlantic City äußerst motiviert verlassen. Früher als üblich, bereits um 7 Uhr, war ich wieder auf meiner so geliebten Schotterstrasse. Normalerweise nutze ich die Zwischenstopps immer aus und gönne mir vorm Start ein ordentliches Frühstück in einem Restaurant, die aber nie vor 8 Uhr aufmachen. Doch mir war bewusst, dass der kommende Abschnitt durch die "Wind River" Bergkette, extrem lang sein würde... da zählt jede Stunde! Sieben Tage Essen im Rucksack war mehr als nur deutlich zu spüren, doch als Thru-hiker ignoriert man das ganz geschickt und im ignorieren von Schmerzen bin ich mittlerweile Profi.

Nach drei Stunden wäre der offizielle Trail zum ersten Mal in eine leichten Bergkamm abgebogen, doch ich entschied mich auf der Schotterstrasse weiter zu marschieren, denn so sparte ich mir drei Meilen und 500 Höhenmeter.
500 Meter??? Was soll das? Ich hab bereits über 75.000 Höhenmeter hinter mir und jetzt verscheucht mich dieser kindische Anstieg!?!
Irgendwie wurde mir schlagartig bewusst, dass ich schon seit Wochen nur nach Abkürzungen suchte. Natürlich geht es bei diesem Thru-hike prinzipiell darum, von Mexiko nach Kanada zu gelangen, aber muss ich anfangen den CDT zu meiden?
Vor lauter Schmerzen war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich anfing, den CDT zu hassen und ihm bestmöglich aus dem Weg zu gehen... das hat er nicht verdient!

Plötzlich stand ich nun da auf meiner Schotterstrasse, mit Blick auf die traumhaften Berge (die ich doch eigentlich so liebe) und hatte keine Energie mehr. Ich war leer... geistig und körperlich. Ich stand da für 15 Minuten, starrte einfach nur gerade aus und setzte nicht einmal den Rucksack ab.

Was waren meine Optionen?
1. 25 Meilen zurück zum Highway? Nein, ich geh prinzipiell nie zurück!
2. 30 Meilen weiter zu einer Lodge wo sicher Touristen sind? Wieso nicht.
3. Auf dieser Schotterstrasse sitzen bleiben und auf ein Auto warten? Sinnlos, auf diesen Nebenstrassen gibt es so gut wie keinen Verkehr.

Innerlich hatte ich mit dem Trail abgeschlossen, doch ich war mitten in der Einöde und so musste ich weiter. Also wieder Musik ins Ohr und immer gerade aus... ein Schritt nach dem anderen.
Zwei Minuten später fuhr ein Vater mit seinem Sohn vorbei... "Können wir dir helfen?"

Ich stand völlig angewurzelt da. "Ja - eigentlich aber nein". Wenn ich jetzt meinen Rucksack absetze, ist es vorbei, dann bin ich off-trail, dann war alles umsonst. Der Typ hatte echt Geduld, denn ich stand sicher 2-3 Minuten nur da und schwieg... dann wuchtete ich mein Zeug auf die offene Ladefläche seines Pickup, setzte mich auf die Rückbank und fuhr plötzlich mit 50km/h Richtung Süden anstatt mit 5km/h nach Norden zu wandern... aus und vorbei.


Mittlerweile sind zwei Tage vergangen und ich kann wieder lachen, denn es ist schön wenn man Ziele vor Augen hat... nächstes Jahr werd ich zum CDT zurückkehren!

Happy Trails :-)

4 Kommentare:

  1. Lieber Robert

    Irgendwie bin ich gerade völlig platt! Auch wenn Deine Beiträge immer wieder die Härte des CDT's hervorgehoben haben, dachte ich nicht wirklich daran, dass Du den Trail für dieses Jahr verlassen wirst.
    Als stiller und dennoch sehr begeisterter Leser Deines Blogs (auch schon zu PCT Zeiten) finde ich Dein Entscheid natürlich äusserst schade.
    Was war den Deine Motivation den CDT zu gehen? Was hat Dein inneres Feuer entfacht, als Du Dich auf gemacht hast, Dich auf diesen Trail vor zu bereiten?

    Ich erinnere mich zurück als ich als kleiner Junge mit meinem Onkel im Wald zelten gegangen bin. Wir hatten ein tolles Lagerfeuer, welches wir vor dem schlafen gehen mit Erde bedeckten. Damals fragte ich mich nach dem Sinn des verbudelns. Am anderen Morgen grub mein Onkel all die Erde wieder weg und zu meinem Erstaunen, war da immer noch genügend Glut am glimmen, welches mit etwas Pflege und Trockenholz wieder zu einem wunderbaren Feuer entfacht werden konnte. Dieses Feuer werde ich immer in Erinnerung behalten.

    In diesem Sinne und egal wie Du Dich definitiv entscheiden wirst, wünsche ich Dir alles Gute und verspreche, dass ich Dich weiterhin als stiller Leser begleiten werde.

    Liebe Grüsse

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  2. Hey Robert

    Du bist gar nicht dem CDT ausgewichen! Du bist nur deinen eigenen CDT gegangen! "walk your own way" eben. Also beweg deinen Arsch wieder zurück auf DEINEN CDT!!! ;o)

    Gruss
    Schweinehund

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  3. Hey Robert,

    schade das Du Dein ursprüngliches Ziel dieses Jahr nicht erreichen konntest! Eine mutige Entscheidung finde ich... ich denke Du wirst nächstes Jahr bestimmt erfolgreich sein und wer weiß wofür es gut ist. :-) Wenn es bei mir klappt mit dem CDT sehen wir uns dann evtl. ;-)
    Hier noch ein gutes Zitat von Theodor Roosevelt welches es gut zusammenfasst:
    "Far better it is to dare mighty things, to win glorious triumphs even though checkered by failure, than to rank with those poor spirits who neither enjoy nor suffer much because they live in the gray twilight that knows neither victory nor defeat."
    In diesem Sinne.
    Beste Grüße
    Sasquatch

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  4. Lieber Robert,

    ich muss zugeben, dass ich erst vor 2-3 Wochen deinen Blog 'wiederentdeckt' habe und seitdem fast täglich von Anfang an deine Einträge nachlese. Gespannt war ich den Moment wo ich dich 'eingeholt' habe und dich 'live' verfolgen konnte.
    Und jetzt wo ich es endlich geschafft habe, bin ich sprachlos..
    Trotzdem: eines der schwierigsten Dinge ist es, zu erkennen wann etwas zu viel ist und es gehört viel Mut dazu sich das einzugestehen....
    Super, was du bisher geleistet hast. Du hast meine Hochachtung!
    Freu mich auf ein Wiedersehen und vl sehen wir uns ja mal bei meiner Trauzeugin oder wir gehen mal wieder am Hauptplatz Mittagessen... ;-)
    Bis bald und alles Gute!

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