Dienstag, 8. Juli 2014

Highlight ohne Höhepunkt

Frisco (1.089mi) - Grand Lake (~1.215mi/~1.945km)

Dieses Mal hab ich keine Ahnung, wie ich diesen Blog beginnen soll... so viel ist passiert... so anstrengend waren die letzten sechs Tage... so viele Höhen und Tiefen hat es gegeben.

Wenn ich mich richtig erinnern kann, hab ich auf den 200km mindestens zehn Viertausender überschritten, zwei Hagelgewitterstürme überstanden, musste mit kaputtem Equipment und Wasserknappheit zurechtkommen und meinen Körper überreden, trotz Schmerzen weiterzumachen!

Um meine Gedanken annähernd zu sammeln, versuche ich es Tag für Tag...
Als ich Frisco hinter mir ließ, war mir klar, dass die wahrscheinlich anstrengendste aber auch beeindruckendste Woche vor mir lag. Auch wenn der Besuch beim Chiropraktiker eine Wohltat war, fühlte sich mein Körper nicht wirklich fit an und ich fand von Anfang an keine richtigen Rythmus. Und das ist für mich als Weitwanderer fast eines der schlimmsten Probleme, ohne Rythmus werden 13-Stunden Tage zur Qual!
Neben meinem Körper waren aber auch die vorhandenen Wasserrescourcen völlig unrythmisch! So musste ich bereits am ersten Nachmittag Wasser für die kommenden 22km fassen und ein so genanntes "dry camp" machen, d.h. man kampiert bei keiner Wasserquellen und muss zusätzlich Wasser fürs Abendessen mitschleppen.
Dieses zusätzliche Gewicht machte sich vor allem bei meinen ohnehin schon beleidigten Knien bemerkbar.

Um einen langen  Abstieg zu vermeiden wählte ich am zweiten Tag eine Alternativrouten entlang der Bergkette, die ich praktisch die gesamte Woche nicht verlassen sollte. Die Route über den "Argentina Spine" war traumhaft schön, jedoch recht steil und ebenso trocken.

Ziel war Grays Peak (in der Foto-Mitte), der offiziell höchste Punkt entlang des gesamten CDT. Nach einem extrem langen Tag stand ich gegen 19 Uhr vor dessen Schlussanstieg hinauf  auf 4.352m, als sich hinter mir ein Gewitter aufbaute. Schweren Herzens brach ich 150m unter dem Gipfel (dem Höhepunkt) ab und stieg so schnell wie möglich auf 3.800m ab, zum erstmöglichen flachen Campingplatz. Zuerst dachte ich noch, das Gewitter bleibt vor den Bergen hängen, doch wenig später befand ich mich in der Hölle! Für über eine Stunde brachen alle Dämme, Blitze kamen gleichzeitig von drei Richtungen und Hagel drückte mein Zelt zu Boden. Ich saß die ganze Zeit aufrecht im Zelt und versuchte dieses vor dem Kollaps zu bewahren... mit Erfolg!


Der kommende Morgen war ein besonderer.
Jeglicher Hagel (eine Schicht von min. 3-5cm) war völlig verschwunden und ich hörte Menschen... viele Menschen!
Dann machte es Klick bei mir, es war der 4. Juli, der amerikanische Unabhängigkeitstag. Beim weiteren Abstieg sah ich sicherlich über 300 Wanderer mit riesigen Flaggen und winzigen Hunden und eine Wolke von "Sauberkeit" umhüllte den Trail :)
Erst am Nachmittag hatte ich wieder den Trail für mich alleine und peilte erneut ein dry camp an. Da das Wetter zum ersten mal traumhaft war, beendete ich diesen Tag wieder auf ca. 3.800m auf einem kleinen Sattel.



Alles war perfekt bis plötzlich Donner ein weiteres Mal mein Zelt erschütterte und nur ein paar Minuten später saß ich wie am Tag zuvor aufrecht im Zelt. Mit meinem Kopftuch wischte ich eine Stunde lang das Wasser auf, welches mit Hilfe des Windes waagrecht daher kam. Noch nie zuvor brauchte ich meine Regenjacke innerhalb (!!!) meines Zeltes!!!

An Tag vier war ich ganz schön genervt, übermüdet und hab zusätzlich meinen Appetit verloren! All das Essen für sechs Tage wurde nicht weniger und dadurch leichter. Mühselig kaute ich auf meinen Müsliriegeln herum... kein Wunder, dass mir langsam die Energie ausging.
Zwei netter Tagesausflügler halfen mir am nächsten Gipfel mit frischen Obst und 2L Wasser aus und ich konnte eine weitere Alternative entlang der Bergkette nehmen anstatt 1.500m abzusteigen und 10km Umweg zu einem Bach machen zu müssen.
Mit Parry Peak und James Peak beendete ich dann würdevoll meine "Viertausender-Orgie" und war nicht mehr allzu traurig, den wahren Höhepunkt Grays Peak nicht gemacht zu haben.


Nach einem steilen Abstieg und einer mühevollen Traverse ohne richtigen Trail erblickte ich meine nächste Gewitterfront! Obwohl es erst 17:30 wahr und ich normalerweise nicht vor 19 Uhr stehen bleibe, entschloss ich mich, frühzeitig in mein Zelt zu flüchten. Was für eine weise Entscheidung! Es begann zu regnen und... und nach 20min war außer Sonne nur Sonne... Colorado hatte mich so richtig verarscht!

Tag fünf fing gut an, doch nach einem Blick auf die Uhr, stellte ich fest, dass ich einfach keinen richtigen Fortschritt machte... soviel zum fehlenden Rhythmus :( doch gerade aus geht es nun mal nach Kanada... also immer weiter!

Zusätzlich sind beide meine faltbaren Plastikflaschen innerhalb von zwei Stunden gebrochen und ich hatte ein Problem mein Wasser zu filtern. Mit meinem Gravitationsbeutel tu ich mir über der Baumgrenze schwer, einen Ast zu aufhängen zu finden. Trotz aller Probleme kam ich irgendwie voran und schöpfte bereits Hoffnung bis ich schlussendlich am "Knight Ridge Trail" ankam. Ein bekanntlich ungepflegter Weg, der mich aber mit der Anzahl an umgestürzten Bäumen (blow downs) schlicht überraschte. Nach einem 11-Stunden Tag musste ich mich für über zwei Stunden durch ein völliges Chaos bahnen... "Embrace the brutality"


Schlussendlich fand auch dieser Tag ein Ende, direkt an Strand am ersten großen See vor Grand Lake... Mega-Ufzahhh!!!


Gestern war dann nicht mehr viel übrig... vom Trail und von mir... die letzten 14km waren um 9:30 geschafft, gerade rechtzeitig um Shutterbug (1/3 Stooges) bei einem Frühstück zum 56igsten Geburtstag zu gratulieren :-)

Mehr fällt mir jetzt nicht mehr ein. Ich glaub, dieser Blog ist lang genug geworden! Ich weiß jetzt schon, dass ich die Viertausender vermissen werde! Ein paar Mal geht's noch so auf 3.500m, doch das ist Kinderkram.
Am Samstag sollte ich Steamboat Springs erreichen...

Bis dann... "Embrace Colorado"!!!
Happy Trails :-)

P.S.: Ach ja, da war ja dann noch das Lama!... die Geschichte wird dann aber persönlich erzählt ;-)




2 Kommentare:

  1. Hallo Robert!
    Wir wünschen Dir alles Gute zum Geburtstag! Freuen uns schon auf Deinen nächsten Blog, obwohl der letzte ja nicht so angenehm geklungen hat (aber spannend). Alles Gute weiterhin ;-)
    LG Andi, Dani und David

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für die lieben Grüße!
      Die spannenden Unwetter sind hoffentlich vorbei, jetzt geht's in Wyoming vorerst durch die nächste Wüste. Ich komm mir grad vor wie in einer Kneippkur!

      Löschen