Dienstag, 15. September 2015

Finale im Paradies

Etappe 28 - East Glacier (~2.442mi) - Kanada (~2.557mi)

Wie oft habe ich dieses Jahr von schlechtem Wetter berichtet? Gewitterstürmen, Starkregen, Hagel, Schnee und dichte Rauchschwaden wegen der unzähligen Waldbrände, waren stets verlässliche Begleiter während der vergangen 4,5 Monaten. Irgendwann hat Mutter Natur jedoch beschlossen, mir  eine Pause von alledem zu gönnen und dieser Moment hätte nicht besser gewählt sein können.
Die vergangen 6 Tage im Glacier National Park waren mit Abstand das Highlight meines Abenteuers.  Tage zuvor wälzte sich noch der erste große Herbst-Schneesturm durch den Park und Bilder sowie Videos von Wanderfreunden ließen mich erschaudern. Mein guter Freund Sanjay musste durch hüfttiefen Neuschnee stapfen um in Richtung Kanada zu gelangen und hatte keinerlei Fernsicht entlang der letzten zu überwindenden Berge.

#2 und Ich hatten einen sehr, sehr positiven Wetterbericht vor uns und starteten somit die Schlussetappe äußerst positiv gestimmt. Kaum hatten wir die Parkgrenze überschritten, wurden wir auch gleich mit großartigen Tierbeobachtungen belohnt. Innerhalb von 30 Minuten sahen wir 4 Schwarzbären und einen Grizzly und 4 Dickhornschafe (Bighorn Sheep). Die Bären waren alle ganz brav und sind entweder von uns davon gelaufen oder ganz weit weg gewesen. Die Schafe waren völlig unbeeindruckt von uns nur leider sind die Fotos nicht wirklich scharf geworden. Gegen Nachmittag erreichten wir die Ranger Station am Two Medicine Lake, wo uns der Ranger gleich einmal mitteilte, dass all unsere Wunsch-Campingplätze belegt seien. Somit stoppten wir an diesem Tag bereits nach 10 Meilen, hatten am nächsten Tag gerade einmal 16mi vor uns und mussten dann 30er Tage einlegen um weiter zu kommen. Nicht ganz nach unserem Geschmack, doch Nichts konnte unsere gute Laune trüben!

Kollege Malarkey hatte mir bereits vor Wochen vom "Dawson Pass" vorgeschwärmt... dies sei sein absoluter Lieblingsplatz im Glacier Nationalpark. Und was soll ich sagen bzw. schreiben... er hatte so recht!!!
Dieses Panorama war Belohnung genug für all die Strapazen!!!




Und es ging im gleichen Rhythmus weiter. Wir mussten sogar noch ein letztes Mal eine Ersatzroute wählen. Am Südwesten des riesigen St. Mary Lakes tobte heuer wohl das kräftigste Feuer der Saison. Grosse Teile des Parks und die berühmte Going-To-The-Sun-Road waren für Wochen gesperrt und stellten das größte Fragezeichen für eine ordnungsgemäße Beendigung meiner Wanderung für mich dar. Das Feuer ist mittlerweile durch starke Regenfälle erloschen, doch im Erdreich gibt es noch einen Schwelbrand, der erst im laufe des Winters sein Ende finden wird. Wir mussten somit östlich um den See herum, durften aber zu Fuß die Going-To-The-Sun-Road benutzen.


Viel Vergnügen bereiteten auch mehrere kleine Hängebrücken. Wie kleine Kinder standen #2 und Ich in der Mitte und schaukelten herum... man muss den Luxus von trockenen Schuhen in einem Nationalpark natürlich auskosten :-)


Was jedoch diesen gesamten Schlussabschnitt so besonders machte, waren die herbstlichen Farben - der "Indian Summer" hatte eingesetzt - Sträucher und Laubbäume leuchteten plötzlich in knalligen Gelb- und Rottönen... wir waren im Paradies angekommen!




Am vorletzten Tag zog Morgennebel über unseren Campingplatz hinweg. Es dauerte nicht lang bis wir diesen am letzten großen Anstieg durchbrachen und sich ein Wolkenmeer der ganz besonderen Art auftat. Immer wieder umhüllten uns die Wolken, nur um uns wenige Minuten später wieder frei zu geben. Ich bin mir relativ sicher, dass ich auf diesem Meer aus Watte nach Kanada hätte schwimmen können, doch ich habe es dann doch nicht probiert ;-)



Wir genossen definitiv die Tage und hatten stets genug Zeit die Aussicht so richtig zu genießen!


Und dann begann die wahre Countdown... das letzte Mal im Zelt schlafen, ein letztes Mal Alles mit System im Rucksack verstauen, ein letztes Mal den Morgen mit einem ungesunden Zuckerschub beginnen.
Nach bereits 5km erreichen wir Waterton Lake, jenen See der dem kanadischen Nationalpark seinen Namen verleiht und uns eindeutig signalisierte... "Wir sind am richtigen Weg!!!" ... auf halber Strecke entlang des Ufers würden wir die Grenze zu Kanada überschreiten. Keine Menschenseele störte unseren Moment... unseren letzten Tag. Dichter Bodennebel begleitete uns auf den letzten 7 Kilometern - den letzten 7 von ungefährt 4.100 - wir wollten es nicht so recht glauben.



Am 25. April 2014 hatte meine Reise begonnen... fand nach 94 Tagen am 28. Juli 2014 ein ungeplantes Ende... startete erneut am 24. April 2015 und wurde am 14. September 2015 um 11:15 Uhr Ortszeit vollendet. 238 Tage und ca. 6.400 Kilometer habe ich nun in Summe am Continental Divide Trail zurückgelegt und kann mich ab nun mit dem Titel "Erster österreichischer CDT Thru-Hiker" schmücken... ich bin zufrieden :-)





Kurze Geschichte am Rande: Am kleinen Foto, welches ich am kanadischen Grenzstein in der Hand halte, kann man bei genauerem Hinsehen drei Wanderkollegen vom letzten Jahr erkennen, die mich nach meiner Aufgabe symbolisch in Form von einer langen Hose und einer Banane bis nach Kanada trugen. Ich hatte dieses Foto stets bei mir und konnte den Kreis erfolgreich schließen.

Ein riesiges Dankeschön für die großartige Unterstützung, die ich von so vielen unterschiedlichen Seiten bekommen habe. Ohne Familie und Freunde wäre ich gestern nicht an diesem Punkt angekommen!

"Embrace the brutality" ist der amerikanische Leitspruch dieses Wanderweges. Ich bevorzuge lieber den Ausdruck "Embrace the trail", was soviel bedeutet wie "Umarme und huldige den Weg"... und dies werde ich für immer und ewig tun!

Happy trails :-)

Montag, 14. September 2015

Kanada!!!

Kanada, da bin ich!!!
Heute Montag, den 14. September 2015, um 11:15 Uhr habe ich die Grenze zu Kanada überschritten. Ich bin überglücklich mein Projekt "CDT", welches mich nun die letzten 2,5 Jahre beschäftigt hat, erfolgreich beendet zu haben :-)
Der genau Bericht der letzten Tage folgt in kürze...


Dienstag, 8. September 2015

Die Umleitung

Etappe 27 - Umleitung: Lincoln/Rogers Pass (~2.297mi) - East Glacier (~2.442mi)... noch ca. 115mi

Nicht gerade mit der positivsten Stimmung sind MIJ, #2 und Ich von Dick, dem Besitzer des Motel in Lincoln, letzten Dienstag zurück zum Rogers Pass gebracht worden. Immerhin würden wir eines der Highlights des gesamten CDT - die Bob-Marshall-Wilderness - sprichwörtlich links liegen lassen und auf Strassen weiträumig umgehen. Zum Zeitpunkt unserer Strassenwanderung waren noch immer über 20 Großbrände aktiv und keine Besserung in Sicht.
Unser nordirischer Kollege Malarkey, der diesen Abschnitt bereits vor 2 Jahren absolviert hatte, sah keinen Sinn in einem Marsch von über 230km entlang von diversen Asphalt und Schotterstrassen, sodass er kurzerhand beschloss, per Anhalter nach East Glacier zu stoppen.

Strassen-Kilometer sind der reinste Albtraum. Nicht so sehr, weil der Untergrund (egal ob Asphalt oder Schotter) sehr hart ist, sondern weil der Bewegungsablauf stets der selbe ist und vor allem eine äußerst vereinfachter. Mann muss nicht viele  unterschiedliche Muskeln betätigen, um nur gerade aus zu laufen! Am Ende eines relativ langen Tages resultiert dies dann in Krämpfen und Verspannungen aller Art.




Viel Abwechslung gab es nie. Wie immer säumten Kühe unseren Weg und einmal mehr wurden wir erinnert, in Montana unterwegs zu sein... dem Bundesstaat der Cowboys und seiner Pferde. 



Der einzige Vorteil dieser Tortur ist die relativ gute Versorgung entlang der Strassen. Auch wenn das Thema Wasser eher spärlich abgedeckt wird, kommt man zumindest fast jeden Tag in einer Kleinstadt vorbei und ersetzt dieses dann durch Bier... was vor allem meine Kollegen bevorzugten :)
Am Ende des zweiten Tages kamen wir nach Bynum mit 12 Einwohnern das kleinste Kaff unserer Umleitung und das Wetter hatte bereits eine ordentliche Kehrtwendung vollzogen. Von anfänglich fast wolkenlosen 30 Grad waren wir bei Nieselregen und 10 Grad angekommen. Bynum bedeutet auch, dass man sich im Kerngebiet der Dinosaurier-Funde von Montana befindet. Dies wird durch ein niedlich kleines Museum veranschaulicht (welches natürlich schon geschlossen hatte) und neben dem Postamt und einer Bar die Hauptstrasse darstellt.




Die Bar hatte tatsächlich offen und bot uns Wärme, Essen und Bier. Wenig später fanden wir heraus, dass die nette Lady hinter der Bar gleichzeitig die Lehrerin des Ortes ist (JA, irgendwo hat sich noch eine Schule versteckt, die wir nicht sehen konnten!). Auf unsere leise Frage hin, wo wir uns denn heute zum Schlafen vorm Regen schützen könnten, meinte sie nur "Das Foyer der Post ist stets offen". Mehr Einladung bedurfte es nicht und wir platzierten uns im örtlichen Postamt, in dem man jedoch das Licht leider nicht ausschalten konnte ;) 

Der nächste Tag war dann eine richtige Herausforderung. Es hatte auf unter 5 Grad abgekühlt, der Nieselregen wurde zu einem richtigen Dauerregen und der Wind blies uns frontal ins Gesicht. Zum Glück hatten wir nur etwas mehr als 30km zur nächsten Ansiedelung. Dort angekommen waren wir nass bis auf die Knochen (irgendwann gibt jede Regenbekleidung auf) und völlig durchgefroren. Dupuyer (ebenso unaussprechlich) hatte erneut eine Bar und sogar 23 Einwohner aufzuweisen. Umso erstaunter waren wir, als wir herausfanden, dass die Bar ebenso ein Motel mit einschließt. Nach einer schnellen Stärkung hatten wir auch gleich unsere Zimmer bezogen und der Tag fand ein glückliches und warmes Ende!
Am kommenden Morgen war dann die Wetterlage noch trostloser und es kostete uns keine Minute Überlegungszeit um zu beschließen, einen ZERO einzulegen!!! Zimmer, Essen und TV!!!



Mittlerweile ist es echt anstrengen Energie zu generieren... vor allem mental. Am kommenden Tag ging es aber wie immer weiter und wir waren froh, dass der Regen ein Ende gefunden hatte auch wenn der Wind noch mehr auffrischte. Einmal war der Eine vorne, dann wieder der Andere! Leider war es so windig und damit laut, dass ich keine Chance hatte einem Hörbuch zu lauschen, sondern nur meinen Kollegen beim Marschieren zuschauen konnte.



Endlich kamen wir denn Berge wieder näher. Ehrlich gesagt war es ganz schön beeindruckend die Gebirgsketten des Nationalparks von der Ferne zu sehen. Hinzu kam, dass man gut die verbrannte Erde des lokal Waldbrandes sah und die Gipfel zusätzlich durchgehend von Schnee bedeckt waren! Es wäre ja heuer auch ein Wunder gewesen, hätte es der Wettergotte plötzlich gut mit mir gemeint. Da aber in dieser Region mit Schnee ab September zu rechnen ist, störte dies meine Laune nicht wirklich. Umso mehr hoffe ich, dass die Szenerie für den Zieleinlauf damit umso beeindruckender wird.



Mit East Glacier habe ich nun meinen offiziell letzten Versorgungspunkt erreicht auch wenn es im Park noch ein oder zwei Stellen zur kurzen Erholung geben wird. Zur Zeit plane ich gemeinsam mit #2 gerade die letzten Tage durch den Glacier Nationalpark. Ein kleiner Teil des Trails ist noch immer gesperrt auch wenn es nicht mehr akut brennt, doch dieser Umweg sollte auch kein Hindernis mehr darstellen. Die endgültige Strategie können wir aber erst morgen fixieren, wenn wir den Park tatsächlich betreten und bei der Ranger Station unsere Campingplätze festlegen. MIJ ist bereits aufgebrochen, um Kanada über einen etwas kürzeren Weg am "normalen" Grenzübergang zu erreichen. #2 und Ich werden den Park diagonal durchqueren und die grüne Grenze am Waterton Lake überschreiten... immerhin steht ja auch dort das offizielle Monument des CDT. Plan ist es nun  im Laufe des Tages am 14. September in Kanada anzukommen.... nur mehr 6 Tage :)))))


Happy trails :-)