Wie oft habe ich dieses Jahr von schlechtem Wetter berichtet? Gewitterstürmen, Starkregen, Hagel, Schnee und dichte Rauchschwaden wegen der unzähligen Waldbrände, waren stets verlässliche Begleiter während der vergangen 4,5 Monaten. Irgendwann hat Mutter Natur jedoch beschlossen, mir eine Pause von alledem zu gönnen und dieser Moment hätte nicht besser gewählt sein können.
Die vergangen 6 Tage im Glacier National Park waren mit Abstand das Highlight meines Abenteuers. Tage zuvor wälzte sich noch der erste große Herbst-Schneesturm durch den Park und Bilder sowie Videos von Wanderfreunden ließen mich erschaudern. Mein guter Freund Sanjay musste durch hüfttiefen Neuschnee stapfen um in Richtung Kanada zu gelangen und hatte keinerlei Fernsicht entlang der letzten zu überwindenden Berge.
#2 und Ich hatten einen sehr, sehr positiven Wetterbericht vor uns und starteten somit die Schlussetappe äußerst positiv gestimmt. Kaum hatten wir die Parkgrenze überschritten, wurden wir auch gleich mit großartigen Tierbeobachtungen belohnt. Innerhalb von 30 Minuten sahen wir 4 Schwarzbären und einen Grizzly und 4 Dickhornschafe (Bighorn Sheep). Die Bären waren alle ganz brav und sind entweder von uns davon gelaufen oder ganz weit weg gewesen. Die Schafe waren völlig unbeeindruckt von uns nur leider sind die Fotos nicht wirklich scharf geworden. Gegen Nachmittag erreichten wir die Ranger Station am Two Medicine Lake, wo uns der Ranger gleich einmal mitteilte, dass all unsere Wunsch-Campingplätze belegt seien. Somit stoppten wir an diesem Tag bereits nach 10 Meilen, hatten am nächsten Tag gerade einmal 16mi vor uns und mussten dann 30er Tage einlegen um weiter zu kommen. Nicht ganz nach unserem Geschmack, doch Nichts konnte unsere gute Laune trüben!
Kollege Malarkey hatte mir bereits vor Wochen vom "Dawson Pass" vorgeschwärmt... dies sei sein absoluter Lieblingsplatz im Glacier Nationalpark. Und was soll ich sagen bzw. schreiben... er hatte so recht!!!
Dieses Panorama war Belohnung genug für all die Strapazen!!!
Und es ging im gleichen Rhythmus weiter. Wir mussten sogar noch ein letztes Mal eine Ersatzroute wählen. Am Südwesten des riesigen St. Mary Lakes tobte heuer wohl das kräftigste Feuer der Saison. Grosse Teile des Parks und die berühmte Going-To-The-Sun-Road waren für Wochen gesperrt und stellten das größte Fragezeichen für eine ordnungsgemäße Beendigung meiner Wanderung für mich dar. Das Feuer ist mittlerweile durch starke Regenfälle erloschen, doch im Erdreich gibt es noch einen Schwelbrand, der erst im laufe des Winters sein Ende finden wird. Wir mussten somit östlich um den See herum, durften aber zu Fuß die Going-To-The-Sun-Road benutzen.
Viel Vergnügen bereiteten auch mehrere kleine Hängebrücken. Wie kleine Kinder standen #2 und Ich in der Mitte und schaukelten herum... man muss den Luxus von trockenen Schuhen in einem Nationalpark natürlich auskosten :-)
Was jedoch diesen gesamten Schlussabschnitt so besonders machte, waren die herbstlichen Farben - der "Indian Summer" hatte eingesetzt - Sträucher und Laubbäume leuchteten plötzlich in knalligen Gelb- und Rottönen... wir waren im Paradies angekommen!
Am vorletzten Tag zog Morgennebel über unseren Campingplatz hinweg. Es dauerte nicht lang bis wir diesen am letzten großen Anstieg durchbrachen und sich ein Wolkenmeer der ganz besonderen Art auftat. Immer wieder umhüllten uns die Wolken, nur um uns wenige Minuten später wieder frei zu geben. Ich bin mir relativ sicher, dass ich auf diesem Meer aus Watte nach Kanada hätte schwimmen können, doch ich habe es dann doch nicht probiert ;-)
Wir genossen definitiv die Tage und hatten stets genug Zeit die Aussicht so richtig zu genießen!
Und dann begann die wahre Countdown... das letzte Mal im Zelt schlafen, ein letztes Mal Alles mit System im Rucksack verstauen, ein letztes Mal den Morgen mit einem ungesunden Zuckerschub beginnen.
Nach bereits 5km erreichen wir Waterton Lake, jenen See der dem kanadischen Nationalpark seinen Namen verleiht und uns eindeutig signalisierte... "Wir sind am richtigen Weg!!!" ... auf halber Strecke entlang des Ufers würden wir die Grenze zu Kanada überschreiten. Keine Menschenseele störte unseren Moment... unseren letzten Tag. Dichter Bodennebel begleitete uns auf den letzten 7 Kilometern - den letzten 7 von ungefährt 4.100 - wir wollten es nicht so recht glauben.
Am 25. April 2014 hatte meine Reise begonnen... fand nach 94 Tagen am 28. Juli 2014 ein ungeplantes Ende... startete erneut am 24. April 2015 und wurde am 14. September 2015 um 11:15 Uhr Ortszeit vollendet. 238 Tage und ca. 6.400 Kilometer habe ich nun in Summe am Continental Divide Trail zurückgelegt und kann mich ab nun mit dem Titel "Erster österreichischer CDT Thru-Hiker" schmücken... ich bin zufrieden :-)
Kurze Geschichte am Rande: Am kleinen Foto, welches ich am kanadischen Grenzstein in der Hand halte, kann man bei genauerem Hinsehen drei Wanderkollegen vom letzten Jahr erkennen, die mich nach meiner Aufgabe symbolisch in Form von einer langen Hose und einer Banane bis nach Kanada trugen. Ich hatte dieses Foto stets bei mir und konnte den Kreis erfolgreich schließen.
Ein riesiges Dankeschön für die großartige Unterstützung, die ich von so vielen unterschiedlichen Seiten bekommen habe. Ohne Familie und Freunde wäre ich gestern nicht an diesem Punkt angekommen!
"Embrace the brutality" ist der amerikanische Leitspruch dieses Wanderweges. Ich bevorzuge lieber den Ausdruck "Embrace the trail", was soviel bedeutet wie "Umarme und huldige den Weg"... und dies werde ich für immer und ewig tun!