Sonntag, 22. Mai 2016

Morgen-Tee und Heizdecken

Etappe 4: Erwin - Damascus/Virginia
21,43% (469 von 2.189 Meilen)

Ich bin in Damascus angekommen! Jedoch habe ich nicht versucht dem syrischen Flüchtlingsstrom gegenzuwirken und habe deren Hauptstadt erreicht, sondern bin in einer idyllischen Kleinstadt im Bundesstaat Virginia gelandet. Letzte Woche noch war hier die Hölle los, an die 20.000 Wanderbegeisterte feierten ein Wochenende lang die "Trail Days" - ein Festival rund um das Thema Wandern auf dem AT. Mittlerweile ist wieder Ruhe in die 700 Seelen Gemeinde eingekehrt und ich genieße einen doppelten Zero, in einem Bed&Breakfast ganz im Südstaaten-Stil. Ich fühle mich ein wenig wie Forest Gump in seinem Herrenhaus... "Lauf Robert Lauf" :-)

Die Hausherrin Virginia (kurz Gini) ist bereits 91 Jahre alt und bereiten noch immer pünktlich um 8 Uhr ein hausgemachtes Frühstück zu, das Seinesgleichen sucht!!! Unterstütz fürs Kochen findet sie bei ihrem 82 jährigen Bruder, ansonsten hilft ihr ihre 9-jährigen Enkelin (die fast immer alle Reservierungen richtig notiert) und zeitweise einer ihrer Söhne.




An diesem entspannten Ort haben wir bereits ein Fünftel unseres AT-Abenteuers hinter uns gelassen und liegen mehr als nur gut in unserem Zeitplan. Ungeachtet der vielen Höhenmeter und dem doch noch recht bescheidenen Wetters, haben RB und ich zu unserem Rhythmus gefunden und können eigentlich gar nicht "langsam" laufen. Somit legen wir bereits regelmäßig Tage mit 27-30 Meilen zurück und holen nach und nach Wanderer ein, die über ein Monat vor uns gestartet sind :-)

Ich versuche mich in diesem Blog auf die seltenen, jedoch durchaus vorhandenen Sonnenstunden zu konzentrieren und den Regen und die Kälte zu vergessen. Es ist Zeit sich auf die Kleinigkeiten zu konzentrieren, denn die großen Veränderungen wird es auf diesem Trail nicht geben. Alex, ein 3-facher AT Wanderer den wir in Hampton getroffen haben, hat gemeint, dass er beim ersten Thru-hike so ganz und gar nicht begeistert war, doch während dem zweiten und dritten Mal ein Gefühl für die gewisse Leichtigkeit gefunden hat. Bezüglich Logistik und Orientierung muss man sein Gehirn ja wirklich nicht großartig einschalten und so marschiert man halt durch die Wälder der Ostküste und erfreut sich an der Sorglosigkeit des Marschieren. Meiner Meinung nach hatte ich diese gewisse Sorglosigkeit (trotz schwererem Geländes) bereits am PCT und CDT gefunden...
Der Appalachian Trail wird sich mir schon noch öffnen, ich hab ja noch gut drei Monate Zeit ;-)


Der fortwährend grüne Tunnel wechselt immer wieder zwischen eigenständigen Abschnitte hin und her, die von durchaus beeindruckenden "Baum-Wesen" begleitet werden und oft wie Türsteher einem den Weg weisen.



Wir hatten auch wieder die Ehre ein paar Bären zu sichten, jedoch nur von der Ferne und für jeweils recht kurze Augenblicke - völlig friedlich und stets froh, dass WIR ihnen nicht zu nahe kamen! Doch die wahren Hüter des Trail sind andere Tiere... meine so geliebten Hasen! Völlig unscheinbar wird man ihnen beobachtet, manche fordern sogar Wegezoll um passieren zu dürfen... hehe!

Ein kurzer Verweis auf das Wetter darf gestattet sein... der Regen hat uns sogar das eine oder andere Mal verschont, doch trockene Bedingungen sehen anders aus und an so manchem Abenden hätte ich mir eine wohlige Wärmedecke in meinem Zelt gewünscht. Eine Tatsache, die durchaus als Sensation angesehen werden kann, ist, dass ich nicht nur einmal mir eine warme Limonade zubereitet hab... man könnte es fast als Tee bezeichnen!!! Einigen Blog-Lesern werden jetzt fast die Augen rausfallen, denn sie wissen was das für mich bedeutet!!! (Beweisfoto wird es dafür aber niemals geben)



Viel mehr fällt mir zu den letzten Tag gar nicht mehr ein. Es wahr ein ordentlicher Rhythmus von kürzeren Etappen und angenehmen Nero-Tagen (Tage an denen wir eine Stadt erreichten oder verließen), an denen wir nette Wanderkollegen trafen, die sogar schlechteres Wetter hatten als wir und wir haben unseren vierten Bundesstaat erreicht. Nach der Grenzwanderung zwischen North Carolina und Tennessee sind wir nun endlich in Virginia angekommen! Nun einfach ein paar Impressionen, simple und einfach...






Ich hab nun dieses Wochenende mit Südstaaten-Flair wirklich genossen, neue Schuhe entgegen genommen und ausreichend entspannt. Der Postamt-Rhythmus wird zwar gebrochen werden, doch da nächsten Montag mit dem "Memorial Day" ein Feiertag ansteht, werde ich meinen Computer für längere Zeit verstauen und hoffentlich genügend Fotos auf meinem iPhone haben, um weitere Impressionen zu posten.

Happy trails :-)

Freitag, 13. Mai 2016

Postamt-Rhythmus

Etappe 3: Gatlinburg - Hot Springs - Erwin/Tennessee
15,62% (342 von 2.189 Meilen)

Geschafft!!! Ufzahhh!!! Das ist sich zwar noch locker ausgegangen, doch es hat ganz schön viel Energie gekostet! Was? Ach... nur der bisher übliche Stress, noch rechtzeitig in einer Stadt und somit beim jeweiligen Postamt anzukommen. Es ist 14:30 an einem Freitag und ich bin in Erwin (Tennessee)... um 16:45 schließt das Postamt... somit alles easy :-) Am Samstag hätte ich meine Bouncebox erst um 10 Uhr abholen können, nur um sie um 12 Uhr bereits wieder weiterschicken zu müssen... und ich will doch den Abend gemütlich nutzen, um zu bloggen :-)

Nachdem das kurze Schneegestöber ein Ende gefunden hatte und in den Smoky Mountains wieder Normalität herrschte, kehrten wir und viele Tagestouristen auf den Trail zurück... denn die Sonne strahlte und es war Muttertag! Nach kurzer Zeit gehörte der AT jedoch wieder den Thru-hikern, da nach spätestens 10km jeder Ausflügler umgedreht hatte.
Der Ausblick hatte sich zwar nicht wirklich geändert... zum Vergleich die Aussicht an Tag 14...

... doch der Trail selbst zeigte sich von einer ganz besonderen Seite. Die Smoky Mountains wurden ihrem mystischen Ruf gerecht und präsentierten sich in einem "mosfaftigen" Mantel gehüllt, nur der Trail brachte gröbere Strukturen wie Steine und Wurzeln zum Vorschein.



Und ich muss zugeben... selbst der ewig gleiche Ausblick kommt im passenden Moment richtig gut zur Geltung.

Ein großes Thema entlang des gesamten AT und vor allem im Nationalpark der Smoky Mountains sind die Bären... Schwarzbären im Speziellen und keine Braunbären (wie im Vergleich dazu am CDT)! Somit darf man dieses "Problem" auch nicht überstrapazieren, denn der Umgang mit Schwarzbären, ist mit etwas Erfahrung, doch recht entspannt.
Als kleinen Beweis dafür, dass eben diese lieben Bären gar nicht so wild und furchterregend sind, darf ich voller Dankbarkeit brandaktuelles Filmmaterial von Abenteurer&Naturfilmer Thoma Schiegg aka RattleBee meinen treuen Lesern präsentieren. Zugetragen hat sich diese Begegnung auf den letzten Meilen innerhalb der Parkgrenzen der Smoky Mountains, am einem Morgen, an dem ich leider gerade 10 Minuten hinterher war...
(leider ist es mir nicht möglich eine bessere Qualität hochzuladen)
Solange man nicht in Panik gerät, dem Bären genug Freiraum lässt und ihm einen Ausweg anbietet, ist man auf der sicheren Seite. Kurz darauf bog er seelenruhig auf einen Seitentrail ab und RB konnte seine Wanderung fortsetzten.

Nach einem kurzen Abstecher in der doch recht hoch gelobten Kleinst-Stadt "Hot Spring", die uns beide jedoch nicht wirklich überzeugte und ich vor allem bereits mein Postamt von Erwin im Auge behalten musste, ging es gemütlich weiter.

Wobei gemütlich ist ein wenig übertrieben, denn der Regen hatte uns ein weiteres Mal fest im Griff. Am folgenden Abend hatte ausnahmsweise ich das "Vergnügen" einen nicht gerade perfekten Zeltplatz zu wählen und als es in der Nacht erneut wie aus Kübeln goss, wurde meine Schlafmatte zum Wasserbett und mein Zeltboden zur Badewanne. Im inneren überstand ich den Starkregen recht gut, doch am nächsten Morgen befand sich mein Zelt in einem erbärmlichen Zustand...

... und so hieß es die ersten Sonnenstrahlen zu nutzen (es könnten ja auch die einzigen sein), um alles annähernd trocken zu bekommen.

Ein einfache Weisheit, die der Steirerbua dabei entwickelt hat, "Mehr Regen... mehr Schlamm!" Und Schlamm hatten wir genug auf unserem Waldpfad, bei dem es ja bekanntlich viel bergauf geht und man deshalb auch wieder irgendwo runter muss! Man könnte es natürlich diesem kleinen Kerl nachtun und einfach nur gemütlich auf einem triefend nassen Holzstamm innehalten...

... doch wir bevorzugten doch das Vorankommen, da ich ja zu meinem Postamt nicht zu spät kommen wollte! Somit schalteten wir in unseren "Basismodus" und versuchten einfach Meilen zu fressen... so schnell es geht.



Bedenkt man nun alle Rahmenbedingungen wie Regen, Schlamm, Wurzeln, Steinstufen und Tempo... wird einem schnell klar - ein Video muss her... also bitte schön! (leider wieder in schlechter Qualität)

Allen Hindernissen zum Trotz kamen wir doch tatsächlich, mit ausreichendem Zeitpolster, in Erwin an und ich konnte ganz entspannt mein Paket abholen. Übrigens der diesjährige Farbencode meiner Bouncebox ist Orange (nach Pink und Grün) :-)

Jetzt gibt es einen verdienten Zero-Tag am Samstag, dem unsere Knochen und Muskeln schon sehnsüchtig entgegengefiebert hatten.
Als ich heute beim Mac Donald's die aktuellen GPS Daten auf meinen Computer überspielte, stellte sich mir eine Frage, "Wieviel Höhenmeter haben wir eigentlich schon überwinden müssen? Und wie sieht es im Vergleich mit den anderen großen Trails aus?" Wenig später hatte ich die Antwort, die mich selbst etwas überraschte. Nimmt man auf allen Triple Crown Wegen die  jeweils ersten 560km als Referenz her so habe ich...
am PCT 17.800 Höhenmeter,
am CDT 11.500 Höhenmeter und
am AT    26.500 Höhenmeter erklommen!!!
Da wundert es mich nicht mehr, dass ich jeden Knochen spüre und ich meinen Knie eine Pause gönnen muss!

Happy trails :-)

Freitag, 6. Mai 2016

Im Waschsalon...

Etappe 2: Hiawasee - Gatlinburg
9,45% (207 von 2.189 Meilen)

Ich sitz hier grad bei einer Münzwäscherei in der touristischen Hochburg der Smoky Mountains - Gatlinburg, dem Klein Las Vegas von Tennessee - und denke über die letzten Tage nach...
Eigentlich würde ich noch immer behaupten, auf dem AT ist nicht viel los und es schaut immer gleich aus... ja wenn da nicht die letzten zwei Tage gewesen werden... ja wenn...

Fangen wir jedoch beim ersten Highlight dieses Berichts an - Georgia ist geschafft!!! ...nach gerade einmal 79 Meilen! Zumindest in dieser Hinsicht wird sich immer wieder was ändern, denn es sind mit 14 Bundesstaaten ja doch einige mehr, als bei den anderen beiden Trails. Ich möchte ja gar nicht an den PCT zurückdenken... dieses unerträgliche Verlangen nach über 1.600 Meilen Kalifornien endlich hinter sich lassen zu können war schon prägend.

Der Beinamen "Grüner Tunnel" ist keine erfunden Geschichte, kein Eindruck, keine nebensächliche Sache... es ist die pure Wahrheit! Bitte nicht falsch verstehen... diese urwaldähnlichen Wälder und die darin vorkommenden Baum-Kreaturen sind schon beeindruckend, doch wenn sich nie ein Gefühl einstellt, woher man komm und wohin man geht, ist das schon zermürbend.



Ich warte noch immer auf diesen Aha-Moment... er wird schon noch kommen.
So schauten die grünen Hügel an Tag 9 aus ;-)

Einen netten und unerwartet erholsamen Zwischenstopp hatten wir dann beim Outdoor-Zentrum NOC, vor allem bei Kanusportlern beliebt. Ich wurde nach einem guten "Marathon"-Tag mit einem kühlen Fußbad im Fluss belohnt und nebenbei noch mit einer gratis Pizza beschenkt. Anschließend quartierten wir uns in der Herberge ein, nach zwei Nächten mit Starkregen (aus unbestätigten Quellen wird berichtet, dass RB sogar fast weggespült wurde) die reiste Wohltat.
Tags darauf lernten wir noch die besten Freundinnen von Stride kennen und mir wurde ein Packet nachgeliefert, welches es nicht rechtzeitig nach Atlanta geschafft hatte.



Danach ging es vorerst noch gemütlich weiter. Unser Rhythmus ist schon fast auf normalen Thru-hiker Niveau, doch die Höhenmeter sind schon nicht ohne. Der AT ist wahrscheinlich der einzige Wanderweg auf dem man an einem Tag an die 2.500 Höhenmeter zusammenbringt, ohne irgendwo anzukommen... 
Übrigens: das war die Aussicht an Tag 10... bekannt?

RB's Laune wurde etwas auf die Probe gestellt, als wir am Fontana Dam ankamen und der Touristen-Shop mit den Snacks geschlossen hatte und der Cola-Automat zusätzlich keine Scheine akzeptieren wollte... langsam gewöhn ich mich an das "Das ist doch Quark!!!"... hehe!

Anschließend wurde es dann lustig, der "Smoky Mountain Nationalpark" wartete auf uns und nicht nur der, sondern auch ein Wetterumsturz. Direkt nach dem Staudamm ging es los. Ein noch älterer und verwunschener Wald kostete uns ganz schön viel Energie als es ein weiteres Mal hieß "Hinauf, hinauf, hinauf!" und innerhalb von einem Tag wurde aus Wind &Regen, Hagel&Schnee





Eigentlich freute ich mich auf den höchsten Punkt des AT, den Clingman's Dome - einen bei Touristen sehr beliebten Aussichtsturm - zu besteigen. Je später es wurde, desto stärker wurde der Schneefall und RB und ich beschlossen anstelle einer völlig überfüllten Hütte oder unseres völlig verdreckten und durchnäßten Zeltes, die nahe gelegene WC-Anlagen des Besucherzentrums des Turms aufzusuchen.


Die Geschichte für sich selbst ist schon ein Klassiker! Zwei "gestrandete" Wanderer die in einem WC die Nacht verbringen - auch wenn es es im Inneren gerade einmal frostfrei blieb, war es doch wenigsten windstill. Richtig lustig wurde es aber erst als ein Ranger mit Taschenlampe derart heftig an die Tür klopfte, dass diese fast aus den Angeln sprang.
"Sir, please open the door, I have to talk to you face to face!!!"
Dieser Ranger war gekommen, um ein älteres Paar abzuholen, welches von einer Verwandten nicht geholt werden konnte (und sich in den WCs neben unseren einquartiert hatten), da die Zufahrtsstrasse wegen des Schneefalls geschlossen wurde. Er musste sich vergewissern, dass es uns gut geht und sah mich vermummt in meinem Schlafsack, mit meinen Füßen voraus in einem riesigen Mistkübel gesteckt, damit sie keinen direkten Kontakt zum kalten Betonboden haben, als ich ihm freundlich erwiderte..."Wir sind Thru-hiker, die umbedingt Schritt für Schritt eine durchgehende Wanderung absolvieren wollen und nicht "gerettet" werden müssten.
Schmunzelnd kam retour, "You have food, water and a garbage can... I think you are safe!"

Die Nacht war grauenhaft kalt und der Chemiegestank war nicht leicht zu entfernen, doch eine ausgedehnte Runde in der schon erwähnten Münzwäscherei und ordentliches Schruppen aller Ausrüstungsteile mit Eukalyptus-Seife hilft!


Wenn ich also über die letzten Tage so nachdenke, ist doch so manches passiert und ich freu mich schon auf die kommenden Geschichten!

Happy trails :-)